Close

STATEMENT ZU UNSERER POLITISCHEN ARBEIT

Hinweis zur Zugänglichkeit: Der Text ist nicht in einfacher Sprache geschrieben. 
Hinweis zum Inhalt: Reflektion von Rassismus und Diskriminierung.

Warum dieses Statement? 
Wir werden nie frei von Rassismus sein, aufgrund unseres rassistischen Systems, in dem wir leben. Doch wir möchten aktiv daran arbeiten, Rassismus aufzudecken und dagegen zu arbeiten. Nur so können wir für ein gutes Leben für alle und für Klimagerechtigkeit kämpfen. 
 
Dafür müssen wir erstmal unsere rassistischen Strukturen wahrnehmen und Verantwortung dafür übernehmen. Dieses Statement bezieht sich vor allem auf unseren Rassismus, doch auch bei weiteren Diskriminierungsformen müssen wir uns sensibilisieren, fortbilden und intersektional handeln!
Im Folgenden werden wir von rassistischen Situationen in unserer politischen Arbeit berichten und wollen das zur Aufarbeitung dieser Fälle nutzen. 
 

TW: Benennung von rassistischem Verhalten 

1) Falsche Prioritäten in der Struktur unserer Ortsgruppe
– Wir haben Awareness sowie antifaschistischen und antirassistischen Strukturen keine Priorität in unserem Aktivismus gegeben, sodass die Auseinandersetzung mit unserem diskriminierenden Verhalten immer wieder hinten runtergefallen ist
– Wir haben uns nicht um persönliche und gruppeninterne Weiterbildung oder Unterstützung bemüht, obwohl unsere Arbeit offensichtlich Rassismus reproduziert hat.
– Es gibt einen unzureichenden Umgang mit Fällen, in denen Rassismus reproduziert wurde, und wir haben Menschen oft nicht ernst genug genommen, wenn sie uns auf unseren Rassismus angesprochen haben.
 
2) Organisationsprozesse
– Es gab selten genug Menschen für Awareness auf Demos, die sich der Aufgabe wirklich gewachsen fühlten.
– Wir haben die Sorgen und Ängste von Teilnehmenden unserer Demonstrationen nicht ernst genommen. Insbesondere haben wir uns beim Globalen Klimastreik im Jahr 2022 aktiv dagegen entschieden, Demonstrierende vor der rechtsextremen Gruppe Revolte Rheinland zu warnen, die sich zu Beginn der Demo unter die Demonstrierenden mischten. Wir haben damit die Sicherheit unserer Demoteilnehmenden gefährdet und verhindert, dass unsere Demonstration ein Safer Space ist. Aktivist*innen anderer Gruppen mussten diese Aufgabe dann für uns übernehmen.
– Bei der Rede-Planung bei Demos haben wir Personen Themen vorgegeben, über die sie auf unserer Demo sprechen sollen – insbesondere BIPoC und Menschen mit möglicher migrantischer Perspektive, die aber vielleicht über ein ganz anderes Thema sprechen wollten. 
– Wir haben Redeslots unfair vergeben und nicht intersektional gehandelt, da wir feministischen, antirassistischen und migrantischen Gruppen nicht genügend Raum gegeben haben und sie auf ein Thema reduziert haben. Dadurch mussten sich marginalisierte Gruppen untereinander eine Redezeit aufteilen, d.h. wir haben marginalisierten Gruppen nicht den Raum gegeben, der ihnen auf unseren Veranstaltungen zusteht/zustehen sollte.
 
3) Persönliche Prozesse von den meisten Menschen der bisherigen FFF Bonn Orga 
– Wir hören von Rassismus betroffenen Personen nicht zu.
– Es wurde sich ungenügend weitergebildet und Begriffe wie MAPA und BIPoC gleichgesetzt.
– Bei Hinweisen auf unser rassistisches Verhalten haben wir Ausreden gesucht, z.B. „Es gab ein Kommunikationsproblem, es gab ein Kapazitätenproblem“ -> Es ist aber ein Rassismusproblem!
– Einzelpersonen haben grenzüberschreitendes Verhalten nicht mit der Gruppe geteilt, obwohl sie davon wussten, sodass die Gruppe nicht aus den gemachten Fehlern lernen konnte.
 
4) Aufarbeitung
– Wir haben Menschen, die uns auf unser rassistisches Verhalten hingewiesen haben, ignoriert und für ein späteres Plenum erst eingeladen und so unser offenes Plenum für Menschen verschlossen. Dadurch haben wir diese Menschen dafür bestraft, dass sie sich die Mühe und die Arbeit gemacht haben, uns auf unser rassistisches Verhalten anzusprechen. Wir hätten dankbar sein sollen, für jede Kritik und jeden Hinweis.
– Wir haben unser Verhalten nicht entsprechend aufgearbeitet und persönlich Erlerntes nicht innerhalb der Gruppen geteilt, sodass als Gruppe nicht gelernt werden konnte, um weitere Grenzüberschreitungen abzuwenden.
– Wenn wir auf grenzüberschreitendes Verhalten unserer Ortsgruppe oder FFF Deutschland hingewiesen wurden, haben wir nicht (angemessen) reagiert und uns z.T.  gerechtfertigt. Wenn Menschen FFF Deutschland kritisiert haben, haben wir uns, wie bei den meisten brenzligen Themen auf der Bundesebene, einfach rausgehalten und es weiterlaufen gelassen. Wir haben uns bis heute nicht gut mit BIPoC for Future und weiteren Gruppen verbündet, obwohl sie so wertvolle Arbeit leisten. 
– Bis heute haben wir uns nicht bemüht, Vorfälle aufzuarbeiten, und auf diese Weise erneut gewaltvoll gehandelt.
– Die Aufarbeitung der Vorfälle haben wir zuletzt auf Einzelpersonen der OG „ausgelagert“ und dadurch als Orga keine kollektive Verantwortung übernommen. 
 
 
Was jetzt?

Unsere Arbeit ist bisher rassistisch geprägt.Wir haben mehr für Klimaschutz als für Klimagerechtigkeit gekämpft. 

Mit diesem Statement legen wir unsere Fehler offen, weil es Zeit ist, sich nicht mehr weg zu ducken. Wir haben als weiße „Klimagerechtigkeits“-Bewegung in Deutschland bis heute nicht begriffen, was unsere Position in diesem Kampf ist. (*hier gehen wir an dieser Stelle nicht weiter darauf ein, Quellen dazu unten) 
 
Wir möchten unsere Wissenslücken schließen und uns für Kritik öffnen, um unsere Arbeit weniger gewaltvoll zu machen! Wir sind uns bewusst, dass wir weiterhin Rassismus reproduzieren werden und auch von weiteren Diskriminierungsformen nicht befreit sind. Doch wir hoffen, dass wir besser mit den Fällen umgehen können und daraus lernen.
Wir sind dankbar für all die kostenlose Bildungsarbeit, die Menschen leisten, die von der Gesellschaft behindert und diskriminiert werden und ihrer Gewalt ausgesetzt sind. Wir freuen uns, wenn wir sie in Zukunft ausreichend dafür entlohnen können.
 
Als in der Gesellschaft privilegierte Gruppe FFF Bonn sollten wir uns nicht darauf verlassen, dass von unserer Gewalt Betroffene uns weiterbilden. Wir müssen endlich anfangen uns selbst fortzubilden und die rassistischen Strukturen zu brechen. Denn Klimagerechtigkeit ist ein Prozess, den wir nur gemeinsam gehen können, um eine befreite Gesellschaft zu erreichen.
 
Unsere nächsten Schritte:
Wir haben verschiedene Ansätze, um unseren Rassismus und weitere Diskriminierungsformen in unserer Gruppe effektiv zu bearbeiten. Um euch einen Einblick zu geben, möchten wir ein paar Punkte ausführen und freuen uns auf weitere Ideen und Kritik: 

1) Organisation/Bündnisse: 
Beim letzten Global Strike haben wir die Organisation für andere Personen aus dem Kampf für Gerechtigkeit geöffnet und konnten bereits viel Erfahrung mitnehmen. Wir wollen innerhalb von Bonn weiterhin mit Gruppen zusammenarbeiten, die antirassitisch aktiv sind und die Zusammenarbeit mit anderen Gerechtigkeitsgruppen vertiefen und strukturell so aufbauen, dass FFF Bonn Privilegien sinnvoll für alle nutzt und die Machtposition nicht missbraucht. 
 
2) Empowerment von BIPoC: 
Wir möchten BIPoC empowern, an unseren Aktionen teilzunehmen, und BIPoC-Stimmen zuhören. Auf Demonstrationen sollen Demo-Sprüche, die BIPoC durch ein Megafon anstimmen, von allen verstärkt werden, d.h. wir müssen darauf besonders achten (Teil-Ergebnis aus einem Rassismus-Aufarbeitungs-Prozess mit BIPoC for Future und FFF NRW). Auch die Gestaltung des Rahmenprogramms (Musik, Reden etc.) soll BIPoC den Raum lassen, der ihnen zusteht. Dabei wollen wir (nach Möglichkeit) BIPoC angemessen entlohnen. 
Außerdem möchten wir mehr politische Veranstaltungen besuchen und bewerben, die sich für Gerechtigkeit für Betroffene von Rassismus einsetzen.
 
3) Reflektion und Bildung: 
Bereits bei der Planung unserer Aktionen und Demonstrationen wollen wir mit der gesamten Orga bewusst auf antirassitisches Handeln achten, indem wir konkrete Reflexionen und Checkpoints in die Planung einbauen, sodass uns aufkommendes kritisches Verhalten bereits im Vorhinein auffällt.
Wir haben festgelegt, dass wir mindestens alle 6 Monate einen AntiRa-Workshop mit der Orga machen, um die Fehlstellen zu decken, die wir mit unserer eigenen Lern-Arbeit nicht decken. Ebenso wollen wir uns regelmäßig Unterstützung und Weiterbildungsmöglichkeiten suchen, wenn wir feststellen, dass wir antirassistisches Arbeiten nicht angemessen umsetzen können.
Die bisherigen „Awareness“-Inputs zu Beginn des Plenums werden wir noch einmal überdenken und intersektionaler gestalten. 
Unsere Awareness-AG hat sich in den letzten Wochen neu formatiert, doch wir möchten die Lernprozesse und Aufarbeitung von Fällen durch diese Struktur besser kollektivieren. Alle OG Mitglieder müssen mitarbeiten und reflektieren. Wir wollen gegenseitig darauf achten, ein Bewusstsein für antirassistisches und antikoloniales Handeln zu entwickeln.
 
4) Reaktion auf Rassismus von FFF De:
Wenn wir rassistisch und kolonial geprägtes Handeln von FFF Deutschland mitbekommen, möchten wir dagegen vorgehen. Wir haben beispielsweise zuletzt einen Veto-Prozess gegen einen zweiten Hashtag für den Global Strike gemacht, da der Prozess zu einem zweiten deutschen Hashtag neben dem international abgestimmten schon lange in der Kritik steht, doch FFF Deutschland immer wieder diesen Prozess startet. Auch in anderen Fragen wollen wir uns mit Anträgen und Veto-Möglichkeiten auf Bundesebene durchsetzen. Wir hoffen dabei auf den Austausch mit anderen Ortsgruppen.
 
 
Wie bereits erwähnt, werden wir als Personen und FFF Bonn weiter Grenzüberschreitungen verantworten, doch wir freuen uns auf vieles, was wir lernen können und wo wir aktiv sein können. 
 
Das Wichtigste nochmal in aller Kürze: 
Wir müssen endlich zuhören, um gemeinsam an einer klimagerechten Welt für alle zu arbeiten.
 

Außerdem: Die Klimakrise können wir nur eindämmen, wenn wir Ungerechtigkeiten abbauen. Eine ungerechte „Lösung“ (Ausbeutung von Mensch und Natur) rettet nichts auf dieser Welt außer die Geldbeutel von irgendwelchen reichen Konzernchef*innen.

Fridays For Future Bonn, Dezember 2023

Danke, dass ihr bis hier hin gelesen habt. Bei Rückfragen meldet euch gerne auf unseren Social-Media-Kanälen oder per Mail bonn@fridaysforfuture.is 🙂 
Einen großen Dank auch an die Menschen, die uns beim Formulieren dieses Statements unterstützt haben und die lieben Menschen, die uns bei unserem Reflektions- und Arbeitsprozess begleiten!